Daniel Kehlmann: Drama "Heilig Abend" rechtfertigt Terror

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© Julian Konrad

Schauspieldirektor Tim Kramer hat für seine erste Spielzeit in Magdeburg ein kleines Juwel neuer deutschsprachiger Dramatik mitgebracht, das er Anfang 2019 am TAK Lichtenstein inszenierte: Daniel Kehlmanns Kammerspiel „Heilig Abend“ thematisiert die Rechtfertigung von Terror im Namen einer gerechteren Gesellschaft und staatlicher Überwachung. Für diesen Zweck sind schließlich alle Mittel heilig und so finden wir uns in einer Verhörsituation wieder. Ermittler Thomas nimmt die gutbürgerlich wirkende Philosophieprofessorin Judith in die Mangel. Schließlich steht ein ungeheuerlicher Vorwurf im Raum: Judith habe mit ihrem Exmann einen Bombenanschlag geplant, um Punkt Mitternacht des 24. Dezember. Im Geiste einer Ulrike Meinhof kann die gebildete Frau Widerstand und Gewalt mit der strukturellen Ungleichbehandlung und Unterdrückung in der liberalistisch-kapitalistischen Gesellschaft, sowie mit dem gewalttätigen Überwachungsmonopol des Staates begründen. Dem Ermittler bleiben nur 90 Minuten, bis faktisch Menschenleben gefährdet sind durch eine explodierende Bombe – wenn es sie überhaupt gibt.

Die Auseinandersetzung mit Terror und Überwachung könnte aktueller nicht sein. Der Clou des Stücks ist das Prinzip eines Echtzeit-Thrillers. Die Dauer des Verhörs, das die Zuschauer miterleben, entspricht der verbleibenden Zeit bis zum angedrohten Anschlag. Immer wieder ist die Uhr zu sehen, die wie ein Damoklesschwert über der Szene am Verhörtisch thront. ++

Zur Premiere und weiteren Terminen von "Heilig Abend", Premiere 30.10.

© Engelhardt

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