Kraft und Expressivität

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© Nilz Böhme

„Le Sacre du Printemps (Frühlingsopfer)“, so lautet der Titel des neuen Ballettabends, den Magdeburgs Chefchoreograf Gonzalo Galguera mit seiner Kompanie gegenwärtig erarbeitet. Aber die Aufführung beginnt nicht mit Igor Strawinsky. Dessen Stück dauert nur 35 Minuten, ist also zu kurz für eine abendfüllende Vorstellung. Der Ballettdirektor und Michael Balke, der die musikalische Verantwortung trägt, suchten und fanden bei Arvo Pärt, einem der bedeutendsten zeitgenössischen Komponisten, ein Werk, das der kraftvollen Musik Strawinskys entspricht.

Pärts 3. Sinfonie liegt nun dem ersten Teil der Inszenierung zugrunde. Der Teil nach der Pause gehört dann Strawinsky. Dessen „Le Sacre du Printemps“ gilt aufgrund seiner außergewöhnlichen rhythmischen und klanglichen Strukturen als ein Schlüsselwerk der Musik des 20. Jahrhunderts. Die Uraufführung 1913 in Paris führte zu tumultartigen Szenen und einem Theaterskandal ersten Ranges. Inzwischen sind 100 Jahre vergangen und „Sacre“ gehört wie selbstverständlich ins Repertoire großer Häuser und begeistert die Menschen. „Das Publikum des 21. Jahrhunderts hat andere Wahrnehmungen sowohl der Musik als auch des Tanzes. Die Herausforderung für den Choreografen besteht darin, nicht der Versuchung zu erliegen, koste es was es wolle, eine moderne Choreografie zu kreieren. Der Betrachter mag dann entscheiden, ob der Abend modern oder klassisch ist. Ich stelle mir diese Frage nicht“, erzählt der Choreograf.

Das Ballett schildert einen Brauch, der absolut fremd anmutet: Die Feier des anbrechenden Frühlings mündet in die Opferung einer jungen Frau. Der Ballettchef erklärt: „Rituale anderer Kulturen erscheinen oft bizarr und fraglich. Aber Rituale werden Menschen immer begleiten. Sie sind Sinnbild für Verluste und für Sehnsucht. Sie verarbeiten z. B. die Trauer, dass etwas vergehen muss, damit Neues entstehen kann. Für mich steht im Mittelpunkt des Bühnengeschehens keine Handlung, sondern der Tanz als Analogie zur Musik. Ich stelle Situationen dar, die mir Raum geben, die Kraft und Expressivität der Musik umzusetzen. Dementsprechend wird es auch keine folkloristische Ästhetik wie seinerzeit bei der Uraufführung geben.“ 1913 galt „Le Sacre du Printemps“ als nahezu untanzbar. Heute behauptet das niemand mehr, dennoch bedeutet dieses Ballett eine Herausforderung für die Kompanie. Gonzalo Galguera zeigt sich aber zuversichtlich: „Die Inszenierung ist eine der schwierigsten der letzten Jahre. Ich zwinge die Tänzer an ihre Grenzen zu gehen und Dinge zu machen, die sie bisher glaubten nicht zu können; aber sie lieben die Musik und sind 100% bei der Sache. Wir sind auf einem sehr guten Weg.“ Der Misserfolg von 1913 wird sich also wohl kaum wiederholen.

Gonzalo Galguera/Igor Strawinsky: Le Sacre du Printemps, Premiere 12. April, 19.30 Uhr, Opernhaus

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