Never change a running system

Mit "Die Frau von früher" bringt Leonhard Schubert ein tiefschwarzes Hand­­puppenstück über die Abgründe langjähriger Paarbeziehungen auf die Bühne.

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© Anjelika Conrad

„Ich habe noch nie eine Inszenierung gemacht, bei der es mir so schwergefallen ist, die Figuren zu mögen“, resümiert Leonhard Schubert den Probenprozess zu „Die Frau von früher“, einem tiefschwarzen Handpuppenstück für Erwachsene. Schwierig sei das gewesen – denn als Regisseur müsse man jede seiner Figuren verteidigen können, um überzeugend zu sein. Diese hier aber hätten sich allesamt schuldig gemacht. Oh. Dabei scheint der Plot zunächst harmlos: Eine Durchschnittsfamilie, Vater, Mutter, erwachsener Sohn, sitzt auf gepackten Koffern, um am nächsten Morgen in ein fernes Land auszuwandern. Gemeinsam wollen sie ein neues Leben beginnen – na, wenn das kein klares Bekenntnis füreinander ist! Doch dann steht Romy vor der Tür und behauptet, die Jugendliebe des Vaters zu sein. Was nun beginnt, umschreibt Leonhard Schubert mit „Stinkesocke meets antike Tragödie“: In einer irrwitzigen Spirale wird aus banalen Paarproblemen eine Tragödie antiken Ausmaßes. Ungeschönt wird die Fragilität einer scheinbar felsenfesten, langjährigen Paarbeziehung seziert. Dabei heißt es nicht umsonst: Never change a running system …

Beim ersten Lesen merke man diese Abgründigkeit dem Stück gar nicht an, meint Schubert. „Der Text wirkt leicht und unterhaltsam. Aber jeder Halbsatz hat eine Bedeutung, für die es geradezu kriminalistischen Gespürs bedarf.“ Dabei sollte sich das Publikums an keiner Stelle sicher wähnen. Die Handlung springt mal 10 Minuten in die Zukunft, dann wieder einen halben Tag zurück, sodass einmal vergebene Sympathien ständig aufs Neue kippeln. Kein Wunder, stammt der Text doch von Roland Schimmelpfennig, meistgespieltem deutschen Gegenwartsautor und begnadetem Sprachakrobaten. Schimmelpfennig schrieb das Stück 2004 fürs Wiener Burgtheater. Seitdem trat es einen Siegeszug über Bühnen und ins Kino an. Und nun sogar Puppentheater.

Eine essentielle Frage jeder Puppentheater-Inszenierung ist die nach der passenden Puppenart: Stinkesocke meets Tragödie? Schuberts Wahl fiel auf Handpuppen. Die Geschwindigkeit der Sprache, die elliptischen Sätze, das Setting (ausnahmslos ein einziger Flur!) sprachen dafür. Die Neigung der Handpuppe zur Karikatur konterkariert im Laufe des Abends zudem den sich bis ins Unerträgliche steigernden Horror und fügt ihm eine absurde Note hinzu. Unterstrichen wird dieser „subtile Horror“ kongenial durch Klangflächen, Geräusche und Song-Arrangements von Cellistin Annalena Buchholz und Gitarrist Pedro Querido. Geprobt wurde das Stück übrigens vor gut einem Jahr – zur Premiere kam es pandemiebedingt nicht. Die hausinterne Voraufführung ließ viele Kollegen dennoch tief berührt zurück, wie Schubert berichtet. Dass das nun auch vor größerem Publikum gelingt, wünscht er sich – und wir ihm.

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© Jesko Döring

Puppentheater

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