Rätselhaftes Wandeltheater

Auf seinem Parcours "Rätselhafter Dom" fördert das Bürger Ensemble Magde­burg reichlich Ungesehenes und Unerhörtes über unsere Kathedrale zutage.

by

© Antje Wilde

© Antje Wilde

„Der Dom zu Mitternacht ist sehr zu empfehlen“, schwärmt Roy Angermann, Urgestein des „Bürger Ensembles Magdeburg“, eines Kollektivs aus rund zwanzig Theaterbegeisterten, die in wechselnden Konstellationen seit acht Jahren auf der Bühne stehen. Oder auf der Straße. Oder im Dom (bis weit nach Mitternacht). Dessen 500-jähriges Jubiläum hatte die Gruppe zum Anlass für eine persönliche Auseinandersetzung mit Magdeburgs Herzstück genommen. Nicht auf der Theaterbühne, nicht einem fertigen Skript folgend – sondern aufbauend auf monatelangen Recherchen, immer wieder abgleichend mit eigenen Erfahrungen, den Schwingungen der Gruppe und dem strukturierenden Blick von Theaterpädagoge Manuel Czerny verpflichtet. Manuel, der das Ensemble seit Beginn durch mehr als 50 Projekte geleitet hat, arbeitet mit Methoden des autobiografischen Theaters, also „ausgehend von den mitwirkenden Menschen“. Konkret heißt das: Am Anfang ist das Brainstorming. Welches Thema liegt in der Luft? Was hat das mit mir zu tun? Was habe ich dazu zu sagen? Schon in diesen ersten Diskussionen „macht sich der Manuel gewaltig viele Notizen“, erzählt Ensemble-Mitglied Frank Schöpke. Nach und nach verdichtet sich das Gesammelte zur Struktur, die geprobt und schließlich präsentiert werden kann. Heraus kommen die unterschiedlichsten Formate (Pop-up-Performance, Fassaden-Mapping, Live-Theater-Soap) an unterschiedlichsten Orten (Bühne, Stadtraum, Internet) zu unterschiedlichsten Themen. Wer meint, der steinalte Dom habe nur wenig mit Uns und Heute zu tun, dem hat das Bürger Ensemble etwas voraus: Unter dem Firmament aus Mythen, Wahrheiten, Geheimnissen, die sich um ihn ranken, fand jeder persönliche Anknüpfungspunkte. „Der Dom ist für viele der Inbegriff von Heimat“, meint Herbert Beesten, hier in Funktion als Mitwirkender, „und doch gibt es unendlich viel, was wir nicht über ihn wissen.“ Man kam auf über 50 Geschichten, die es wert wären, erzählt zu werden – zu viele für einen Abend. Am Ende sind es 28, mehr als 1.700 Jahre überspannende Stationen, die die Zuschauer im Dom durchwandeln dürfen. An Orten, die dem Fokus des typischen Besuchers entgehen (oder für ihn schlicht unzugänglich sind), begegnen sie Figuren, die in direkter Verbindung zu diesen stehen. Wahr oder gelogen? Historie, Legende oder Fake News? Was glaubst du und wenn ja, wie viele? Am Ende gibt ein Lösungsheft Aufschluss. „Was wir bei den Recherchen herausgefunden haben, geht weit über Magdeburg hinaus. Jeder von uns sieht den Dom jetzt mit anderen Augen“, blickt Spielerin Antje Drux zurück. Heute, zwei Jahre nach der ersten Version von „Rätselhafter Dom“ dürfte das mehr denn je gelten: 1631 war der Dom felsenfester Schutzraum für Tausende inmitten unbarmherzigen Zerstörung. Wo, fragt man sich leise, steht der Dom, der den Notleidenden dieser Tage Schutz bietet?

Zur Veranstaltung: Rätselhafter Dom

Back to topbutton