"Titus war ein Bluthund"

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© Theater Magdeburg

Herr Hilsdorf, was hat Sie am Stoff von „Titus“ (La clemenza di Tito) gereizt?

Nichts, ich kannte es nicht! Ich hatte immer abgelehnt es zu inszenieren, obwohl ich ansonsten schon alle Mozart-Opern gemacht hatte. Ich habe es dann mit Musiktheaterdramaturgin Ulrike Schröder gelesen. Vor allem als wir uns den originalen Text von Metastasio vorgenommen haben, stellten wir fest, dass der „Titus“ ein absolutes Theaterstück ist. Es ist aber vor allem ein eminent politisches Stück, dreht sich doch von Beginn an alles um die Frage „Wann wird Rom brennen?“. Der „Titus“ ist ein schnelles Stück, voller Unruhe, hat aber auch komische Momente: Die Wahl seiner Ehefrau, der zukünftigen Kaiserin, geschieht zu Titus‘ Imagepflege, was eben auch komische Aspekte hat.

Wer ist für Sie Titus?

Der historische Titus war ein „Bluthund“, der Jerusalem total zerstört hat. Ihm ist es gelungen „Imagepflege“ zu betreiben und die Geschichtsschreibung so weit zu manipulieren, dass sein mörderisch-bösartiger Aspekt fast völlig verschwunden ist.

© Christine Villinger

Was ist der gesellschaftspolitische Hintergrund des Werkes und welche Rolle spielt er bei Ihnen?

Wir sind im Jahr zwei der Französischen Revolution, die Restauration schlägt bereits wieder zu und es stellt sich für die Adeligen die Frage: „Wie können wir die Revolution besiegen?“ Es ist also kein Wunder, dass Mozart, der ein Rebell war, zum scheinbar alten Stoff von Metastasio griff, um ihn für seine Aussagen nutzbar zu machen. Im höfischen Leben des 18. Jahrhunderts wird nun mal von vorne bis hinten gelogen. Besonders schön ist das in „Gefährliche Liebschaften“ von 1988 nach dem Briefroman von Choderlos de Laclos mit Glenn Close, John Malkovich und Michelle Pfeiffer zu sehen!

Welche menschlichen Abgründe zeigen sich bei den anderen Figuren im Umfeld von Titus?

Bei Vitellia ist die Manipulation Sestos offensichtlich, der zwischen Freundschaft zu Titus und der Liebe zu Vitellia schwankt. Aber selbst Annius und Servilia lügen, obwohl Servilia zunächst so unschuldig wirkt. Eine andere Figur ist Publius, der eine größere Rolle spielt, als man auf den ersten Blick denkt. Er taucht an viel mehr Stellen auf, auch wenn er nicht so viel zu singen hat. Er ist so was wie die Geheimpolizei, der die Brandstifter bestraft sehen will, während Titus immer wieder zögert und geradezu bösartig-sorglos ist. Wir werten zudem zwei Figuren auf: Lentulus, den Doppelgänger von Titus, und Berenice, eine der Frauen, die als mögliche Heiratskandidatin für Titus als Braut in Frage kommt.

Wie äußert sich das musikalisch?

Mozarts Musik dient häufig der Beruhigung, ist aber auch Katalysator. Immer hört man „Wie hinterhältig kann schöne Musik sein.“ Nie darf man dann den Figuren glauben, denn wie gesagt, die Lüge ist Teil des höfischen Lebens.

Wie stellen Sie diese Aspekte auf der Bühne dar?

Wir spielen im Ambiente des 18. Jahrhunderts und sehen Panninis Ansicht des Forum Romanum von 1749 mit dem berühmten Titusbogen. Aber wir machen das als Brechtsche Montage, was sich an den modernen Schminktischen zeigt. Denn es sind Sänger*innen von heute und dass sie Rollen spielen, machen wir hier deutlich. Ihre Haltung, die Wirkung, die Affekte, die erzielt werden. Es geht nicht um Gefühle, die werden nur „hergestellt“.

Ist die titelgebende Gnade etwas Gutes oder Schlechtes?

Wir halten es mit Kants Ausspruch, der in seinen „Metaphysischen Anfangsgründen der Rechtslehre“ zum Urteil kam, dass „Das Begnadigungsrecht für den Verbrecher, entweder die Milderung oder gänzliche Erlassung der Strafe, […] wohl unter allen Rechten des Souveräns das schlüpfrigste [ist], um den Glanz seiner Hoheit zu beweisen, und doch im hohen Grade Unrecht zu tun.“

Man muss nur einmal den Selbsttest machen: Meistens spürt man nach der Vergebung oder Begnadigung ein noch schlechteres Gewissen und quält sich nur noch mehr!

Wir versuchen also zu zeigen, was die Figuren antreibt. … und bis zur Unterbrechung der Proben durch den Corornavirus ist uns das, wie ich finde, auch sehr gut gelungen. Nun bringen wir den „Titus“ unter den aktuellen Bedingungen zur Premiere!

(Das Interview fand schon am 20. März vor der letzten Beleuchtungsprobe und dem endgültigen durch Covid-19 erzwungenen Probenende statt.)

Zu den Veranstaltungsterminen von Titus im Opernhaus

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