Woody Allen: „Deutschland ist für mich sehr attraktiv“

by

© B-Plus Productions

© B-Plus Productions

Auch wenn er in seiner späten Schaffensphase einige europäische Metropolen in den Mittelpunkt seiner Filme stellte, bleibt New York doch die Kernkompetenz des legendären Regisseurs Woody Allen (84, bürgerlich Allan Stewart Konigsberg). In „A Rainy Day in New York“ verschlägt es das College-Paar Ashleigh und Gatsby nach Manhattan, wo Ashleigh einen Interviewtermin mit dem berühmten Filmemacher Roland Pollard ergattert hat. Zu ihrer Überraschung steckt dieser voller Selbstzweifel und hasst seinen neuen Film.


Mr. Allen, am 18.09. 2001 sind Sie nach München gekommen, um über Ihren neuen Film, aber auch über die Terroranschläge von 9/11 zu sprechen. Wie haben sich Ihr Manhattan, Ihr New York, Ihr Land seitdem verändert? Das ist eine interessante Sache. New York hat sich verändert, aber es ist auch gleich geblieben. Ich bin nur wenige Tage nach 9/11 nach Europa gereist. Jeder hat mich gefragt: „Mein Gott, wird Manhattan je wieder dasselbe sein? Ist das das Ende aller Comedy, das Ende von allem, was New York ausgemacht hat?". Und ich meinte nur, nein, ganz und gar nicht. Es wird sich nichts Wesentliches, Ernsthaftes ändern. New York hat schon vorher schreckliche Dinge durchmachen müssen und wird es auch dieses Mal ohne größere Probleme überstehen. Es gibt kleinere Unannehmlichkeiten, zum Beispiel dass es jetzt länger dauert, wenn man von einem Flughafen abfliegt. Oder dass man bei Veranstaltungen überprüft wird und einem in die Taschen geschaut wird. Aber im Grunde genommen ist alles wie gewohnt. Die Theaterstücke laufen noch, Baseball- und Basketballspiele finden noch statt, Leute gehen in die Restaurants, tausende Menschen besuchen Stadien oder sie gehen shoppen. Sie tun alles weiterhin so, wie sie es vor 9/11 getan haben. Es gibt diese ärgerlichen Unannehmlichkeiten, aber die essentiellen Dinge sind so geblieben, wie sie immer waren. Wenn sie einen Tag vor 9/11 in New York gewesen sind und heute wieder einen Tag hier verbringen würden, dann würden sie als Tourist keinen Unterschied feststellen.

Waren Sie schon mal in derselben Situation wie der Regisseur Roland Pollard, im Film dargestellt von Liev Schreiber, der den Film plötzlich nicht mehr mag, den er gemacht hat? Sehr, sehr oft. Ich habe schon oft einen Film fertiggestellt und war danach enttäuscht. Und manchmal war ich unzufrieden, aber die Öffentlichkeit hat mir widersprochen und mochte den Film. Und manchmal war ich zufrieden und dachte, ich hätte einen guten Film gemacht, aber das Publikum war anderer Meinung und hat sich nicht für den Film interessiert oder er hat ihnen nicht gefallen. Man kann das schlecht vorhersagen. Sind Sie auch ein wenig wie Selena Gomez‘ Figur Chan, eine Person, die ihre romantische Seite hinter Sarkasmus versteckt?# Ich denke schon, dass ich die Angewohnheit habe, Dinge zu romantisieren. Das kann mir natürlich helfen, wenn ich eine bestimmte Art von Film drehe. Und manchmal hilft es eben nicht und steht mir sehr im Weg. Die Hauptfigur Gatsby ist ein erfolgreicher Spieler.

Ist es wahr, dass es an Ihrer High School hieß: „Spiele niemals Karten mit Konigsberg"? (lacht) Ja, ich war lange Zeit ein großer Kartenspieler. Und ich habe eine Menge Zeit damit verschwendet. Ich habe etwas Geld gewonnen, aber das Spiel selbst hat mir nicht viel Freude gemacht. Die anderen Spieler hatten Spaß, sie haben sich Witze erzählt, haben getrunken und hatten eine gute Zeit. Ich hingegen war sehr ernst und konnte diesen Spaß nicht teilen. Ich habe immer darüber nachgedacht, wie ich mit meiner Hand gewinnen konnte und habe jedes Detail kalkuliert. Ich habe gewonnen, weil ich der einzige war, der das Spiel ernst genommen hat. Und die Anderen hatten das Vergnügen. 

Ihr Film zeigt ein sehr romantisches und altmodisches New York. Kann man das heutzutage noch finden? Nicht wirklich. New York hat sich sehr verändert. Heute gibt es kaum noch eine Mittelschicht. Die Wolkenkratzer bestimmen das Stadtbild. Die großen, gelben Taxis werden von anderen Unternehmen abgelöst. Es gibt ein viel zu großes Angebot an Dingen, die man angeblich sehen muss. Es ist nicht mehr dasselbe.  

Europäische Städte wie Venedig, Barcelona oder Amsterdam leiden sehr unter dem Tourismus. Wie verhält es sich mit Ihrer Stadt? New York kann es mit dieser Herausforderung aufnehmen, aber es erfordert einen erheblichen Aufwand. New York ist bestimmt auch keine einfache Stadt, um dauerhaft hier zu leben. Eine Metropole wie Barcelona ist viel einfacher und relaxter. Man muss jeden Tag aufs Neue daran arbeiten, in New York zu wohnen. Aber es hat seinen Charme und ist es definitiv wert. Wie in jeder anderen Stadt auch schwindet dieser Charme allerdings jeden Tag ein bisschen mehr. Die alten Zeiten wird niemand zurückbringen. 

Sie stehen kurz vor Ihrem 50sten Film. Haben Sie etwas Spezielles geplant? Nein. Ich werde einfach die Idee umsetzen, die ich als nächstes für einen Film bekomme. Ich nehme so etwas nicht besonders ernst. Aber es freut mich, weil mir vor vielen Jahren bewusst wurde, wie viele Filme Ingmar Bergman gemacht hat. Damals habe ich mich gefragt, ob es mir auch vergönnt sein wird, jemals so viele Filme zu machen. Und jetzt stehe ich kurz davor. Fünfzig Filme sind eine Menge zum Schreiben und zum Regie führen. Ich hoffe, dass es ein guter Film wird. Nicht nur der 50ste, sondern auch ein Guter.

Auf der Berlinale von 1975 haben Sie einen Preis für Ihr Gesamtwerk erhalten. Wenn man darauf zurückschaut, war das wohl etwas verfrüht. Ja. Mein Gott, das war vor einer langen Zeit. Ich finde solche Sachen immer albern. Man kann sich niemals ausrechnen, wie sich die Dinge entwickeln werden. Ja, es klingt ein bisschen komisch.

Sie sind nicht religiös. Das ist wahr.

Empfinden Sie trotzdem eine gewisse Demut, weil Ihnen dieses Talent geschenkt wurde und diese Karriere beschieden ist? Ich schätze mich glücklich. Aber ich schreibe es dem Zufall zu. Ich hatte eben großes Glück. Ich fühle deswegen keine Demut. Doch mir ist immer bewusst, dass mir mehr vergönnt war, als mir eigentlich zustand.

Sie kennen Deutschland ein wenig, Sie haben hier Interviews und Konzerte gegeben. Warum war dieses Land nicht für Sie als Drehort attraktiv? Deutschland ist für mich sehr attraktiv, aber bislang hat mich niemand eingeladen, hier zu drehen. Spanien, Frankreich, England oder Italien haben einige meiner Filme unter der Bedingung finanziert, dass ich auch dort drehen würde. Dem bin ich gern nachgekommen. Aber ich hatte noch nie ein vergleichbares Angebot aus Deutschland. Und der schwierigste Teil des Filmemachens ist nun einmal, das Geld aufzutreiben. 

Für Ihren aktuellen Film haben Sie mit Christoph Waltz gedreht. Was für eine Erfahrung war das? Er hat nur eine kleine Rolle, ich dachte, sie wäre zu klein. Unsere Zusammenarbeit war viel zu kurz. Christoph Waltz ist ein wundervoller Schauspieler und beim Dreh der netteste Mensch. Es war eine wirklich schöne Zeit und ich hoffe sehr, dass uns unsere Wege noch einmal zusammenführen, um die Zusammenarbeit intensivieren. 

Was sagen Sie einem 84-Jährigen, der sich vor dem Tod fürchtet? Das ist doch nur, wie zum Arzt zu gehen und eine Narkose zu bekommen. Man kriegt es gar nicht mit. Da ist nichts, wovor man sich fürchten müsste.

Zu sehen im Studiokino

© Studiokino

Studiokino

Moritzplatz 1, 39124 Magdeburg View Map

0391 28899963

Visit Website

Di-So ab 17.30 Uhr

Back to topbutton