Der Jahrhundertpolitiker

Nur mit ihm lassen sich Glasnost und Pere­stroika in Verbindung bringen, aber auch das Ende des Kalten Krieges. Der sowjetische bzw. russische Politiker Michail Gorbatschow, der erst kürzlich im Alter von 91 Jahren verstarb, gilt als einer der größten Reformer des 20. Jahrhunderts. Doch stimmt jenes Bild, dass Gorbatschow schon während seiner Amtszeit ein Demokrat im westlichen Sinne war? Und wie weit hat sich der einstige Leninist und Kommunist von der Ideologie und vom Block-Denken gelöst? Der Historiker Ignaz Lozo geht diesen Fragen in der Biografie „Gorbatschow – der Weltenveränderer“ nach. Lozo hat den Staatsmann in den vergangenen drei Jahrzehnten rund ein Dutzend Mal interviewt, zuletzt 2019. Auch mit Weggefährten und Widersachern hat er gesprochen und eine Vielzahl neuer russischer Quellen ausgewertet, auch solche, die als Staatsgeheimnis deklariert sind. Zuletzt hat er sich auf Spurensuche begeben und die Orte aufgesucht, in denen Gorbatschow seine Kindheit und Jugend verbachte. Damit legt der Autor ein sehr persönliches Porträt vor, das erstmals Gorbatschows ganzes Leben umspannt. Lozo versteht es, klare und schnörkellose Worte für die wilden 80er und 90er Jahre zu finden und gleichzeitig die politischen Entscheidungen aus der Vergangenheit, die auch heute noch Auswirkungen haben, zu beschreiben. Dabei kommen Schlüsselszenen der Wiedervereinigung aus sowjetischer und DDR-Sicht nicht zu kurz. Bei der Lesung werden auch der Untergang der Sowjetunion und die NATO-Osterweiterung aufgegriffen, womit ein Bogen in die Gegenwart gespannt wird, die geprägt ist durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine.

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