Nicola Rost von Laing: „Wir leben diese Liebe zum Mehrdeutigen und Ironischen“

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© Ben Wolf

Wir alle haben doch Laings Top-10-Hit „Morgens bin ich immer müde“ immer noch im Kopf, wenn wir Montagmorgen das Bett verlassen. Das war 2012 der Durchbruch für die Berliner Frauenkombo, deren Frontfrau, Produzentin und Songschreiberin Nicola Rost viel Wert auf Mehrdeutigkeit und Tiefe der Songtexte legt. Getrieben von elektronischen Beats und Retro-Einflüssen kam 2014 schon ein Jahr nach dem Debütalbum „Paradies Naiv“ das nächste, das nicht weniger durchtrieben und verrückt klang: „Wechselt die Beleuchtung“. Dafür musste u.a. Heintjes Song „Sei doch bitte wieder gut“ herhalten. Rost bearbeitete und verkehrte den Song, der Original- Refrain wurde durch von ihr ergänzte Sticheleien und Gemeinheiten zur sarkastischen Provokation. Es folgten Auftritt um Auftritt, 2015 traten sie mit „Zeig dein Muskeln“ im deutschen ESC- Vorentscheid an.

Danach wurde es ruhig um Laing, zwei Jahre Kreativpause. Seit Herbst gibt es neuen Laing-Stoff mit dem Album „Fotogena“. Im Januar sind die Mädels mit ihrer extravaganten Bühnenshow wieder bundesweit auf Tour. Warum es so eine lange Pause war, erklärt Frontfrau Nicola Rost im Interview.


Die erste Single-Auskopplung „Nieselregeln“ hat mich überrascht. Das war nicht Laing.

Nach so einer langen Pause ist die Erwartungshaltung der Fans an das neue Album groß. Ich wollte augenzwinkernd damit umgehen, ich wollte mit etwas ganz Komischem, Unerwartetem starten. Es sollte nicht das große Comeback werden, sondern etwas schrulliger- deswegen haben wir in dem Song die Stimmen runtergepitcht so dass sie wie Männerstimmen klangen. Die Wirkung habe ich allerdings unterschätzt, viele waren erstmal ein bißchen enttäuscht und dachten, wir hätten jetzt einen Mann aufgenommen..

Nach mehrmaligem Hören sind mir wieder diese Wortspiele aufgefallen. Was wäre Laing ohne sie?

Wir leben diesen Hang zum Mehrdeutigen und Ironischen auf verschiedenen Ebenen aus: Texte, Choreografien, Outfits. Das macht es für die Hörer/ Zuschauer anspruchsvoller- im Zweifel wären wir vielleicht massenkompatibler wenn alles etwas eindeutiger wäre…aber gleichzeitig macht uns das auch aus und unsere Fans freuen sich immer wenn sie neue Details entdecken!

Mit deinem Faible für Sprache wäre doch ein Germanistik-Studium passender als Politik gewesen.

Lustigerweise hab ich auch ein Semester Germanistik studiert und bin dann aber in dem Grammatik-Seminar mit nach hinten gerollten Augen vom Stuhl gefallen. Das war mir viel zu trocken. Ich bin ein eher intuitiver und weniger theoretischer Mensch, ich verlasse mich auf meine Intuition für Grammatik, die aber ohne viel theoretischen Unterbau auskommt…

Die Erwartungshaltung ist natürlich dann da, dass Laing auch politische Songs bringt.

Ich finde nicht, dass man es nach einem Politikstudium einfacher hat, sich zu positionieren. Je tiefer man in die Materie eintaucht, desto komplexer wird es… Da dann einen Slogan zu entwickeln, der nicht banal aber auch nicht belehrend ist, finde ich sehr schwierig. Gleichzeitig ist ja gerade das bei Pop wichtig: Punchlines, Slogans. Ich bewundere Leute, die es hinbekommen, politische Songtexte zu machen. Bisher war ich einfach mit nichts zufrieden, was ich in die Richtung versucht habe.

Du bist also eine Perfektionistin, wie kann ich mir ein Laing-Demo vorstellen?

Die sind meist schon sehr ähnlich wie der Originalsong. Manche machen in der Produktion eine große Entwicklung durch, manche werden nur im Sound geschliffen.

Ich habe gelesen, die Demos waren schon da, trotzdem mussten die Fans so lange auf das Album warten.

Ja, weil es so viele Entscheidungen zu treffen gilt. Man muss da immer sehr aufpassen dass man sich nicht im Tal der Optionen verirrt… das passiert sehr schnell. Wenn man an einem Song lange gearbeitet hat, möchte man ihn natürlich besonders gut fertig machen, besonders nach der Pause. Der Druck wird ja nicht weniger. Aber mein Fazit ist auf jeden Fall, dass meist die Ursprungsidee die Stärkste ist und man im Zweifel nicht zu lange daran rumdoktern sollte.

Welcher Druck ist größer, der äußere oder der innere?

Es gibt natürlich äußere Zwänge: Ich muss meine Miete zahlen und Essen kaufen können. Dazu kommt aber der innere Druck, der eigene Anspruch. Kunst zu machen heißt Entscheidungen zu treffen. Da kann es hapern, weil man Angst hat, eine Sache loszulassen, die einen lange Zeit begleitet hat und zu sagen: Jetzt ist es fertig. Ich hab eigentlich immer bis auf die letzten Meter mit dem eigenen Anspruch zu kämpfen. Das ist der größte Druck.

Bei dem Song „Organspende“ war ich mir nie sicher, ob er als Metapher zu sehen oder ernstgemeint ist.

Ich finde es immer schön, wenn Leute etwas anderes sehen, als ich beim Schreiben meinte. Der Song „Organspende“ ist ausnahmsweise keine Metapher. Ich habe einen Organspende-Ausweis bekommen und wurde von einer Freundin aufgefordert: Setz dich damit mal auseinander! Ich finde die Vorstellung faszinierend, dass mein Herz irgendwann in jemand anderem weiter schlagen könnte.

Das Album ist generell ruhiger, nachdenklicher. Warum?

Es gibt einfach viel Erzähl- Stoff, wenn man in schwierigen Gefühlssituationen steckt. Ich, und im übrigen viele meiner Kollegen, finde es schwieriger, einen ungetrübt fröhlichen Song zu machen. Es ist doch so: Wenn alles gut ist, gibt es weniger Druck etwas zu erzählen. Deswegen finde ich es auch total cool, wenn einem „Gute Laune“- Lieder gelingen. Beim Songschreiben sitze ich gern allein im Studio, das Licht ist schummerig, Abendstimmung, die Atmosphäre schreit nicht nach Party sondern ist eher gemütlich und nachdenklich. Auf der Bühne geht es mir wiederum so, dass ich mir wünsche, mehr Partysongs geschrieben zu haben. Da macht es viel Spaß auf die 12 zu hauen. Deswegen wird es solche Songs auf jeden Fall auch wieder geben!

Schlummern da etwa Songs und im nächsten Jahr kommt das neue Album?

Ich will auf keinen Fall wieder solange abtauchen, ich will schnell neue Musik! Ich habe das Livespielen so vermisst. Ich habe gemerkt, dass der Kontakt mit Fans sehr wichtig für den kreativen Prozess ist. Das nimmt viel von den Selbstzweifeln und dem Im-Kreis-Drehen, in das man in langen Studio-Phasen verfallen kann!

Wer hört euch? Meine Eltern sind zum Beispiel auch ganz begeistert.

Wie schön! Schwerpunkt sind natürlich die Mitte 20- bis Ende 30-Jährigen. Aber auch viele Kinder fahren auf uns ab, ohne die Texte zu verstehen. Ich kriege regelmäßig Videos von Freunden, deren Kinder durch die Wohnung rennen und Laing-Songs brüllen. Dann gibt es die Gruppe 50 plus, die auch was damit anfangen kann. Ich schiebe es darauf, dass ich auch Musik aus allen Jahrzehnten mag und das in unsere Songs einfließen lasse. Das ist das Schöne an Popmusik: es hat etwas bestenfalls etwas Zeitloses.

Mir fällt immer wieder auf, wie viele Künstler auf Trendwellen mit ihrer Musik aufspringen. Würdest du dich davon beeinflussen lassen?

Ach, das kann man gar nicht so beurteilen und bewerten. Popmusik ist immer ein Zitat und das ist ja das faszinierende an Kreativität, man weiß nicht wo die Idee herkommt. Im Endeffekt sind es so verschiedene Sachen, die man irgendwo aufgeschnappt hat und im Hirn neu zusammensetzt.

Kann man von Laing auch mal ein Konzeptalbum erwarten?

Jaaaa! Mir hat es Spaß gemacht, die Filmmusik für „Safari“ zu produzieren. Ein Musical könnte ich mir auch total gut vorstellen. Da hangelt man sich an einer Geschichte entlang beim Songschreiben, das ist sehr inspirierend!

Wie viele Pläne hast du denn?

Viele, daran mangelt es mir nicht. Es macht mir auch Spaß mit anderen zu schreiben, für andere zu schreiben. Es gibt so viele schöne Sachen, die ich außerdem machen könnte. Laing holt mich da immer wieder zurück und hilft mir, mich zu fokussieren.

Das kann ich mir vorstellen. Im Januar seid ihr auf Tour u.a. bei uns auf dem Moritzhof. Wie kommst du nach einem Konzert runter?

Wenn man ein einzelnes Konzert spielt, ist das nicht so schwer, wenn man Touren spielt, schon. Da sind wir jeden Abend in einer anderen Stadt, das Team wächst zu einer kleinen Familie. Man ist also nie allein, muss nie nachdenken, was man als nächstes macht. Der ganze Tag ist immer strukturiert. Klar bist du danach so ein bisschen verloren, wenn du allein zu Hause sitzt. Ein richtiges Rezept dagegen habe ich allerdings noch nicht. Im Zweifel mache ich trotz Erschöpfung weiter wie ein Duracell-Häschen und versuche eher, langsam „auszurollen“..

Zur Veranstaltung: Laing, 18.1.

© Engelhardt

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