Michme: „Ein Großteil dessen, was mir Glück bringt und bei mir funktio­­niert, hat damit zu tun, dass ich authentisch bin.“

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© Christine Kühne

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„Ich mache Musik nicht, um reich zu werden, es musste einfach aus mir 'raus!“ Sieben Jahre nach „Von Frauen und unterwegs“ und vier Jahre nach dem „Magdeburg“-Album wirft Stephan Michme neues musikalisches Futter unter die Magdeburger. Ein Album sollte es werden, doch unterschiedliche Soundvorstellungen innerhalb der Band und ein Produzentenwechsel kamen dazwischen. Entstanden sind nun 6 Songs, die den erfolgreichen melancholischen Deutsch-Pop des Magdeburgers transportieren und sich mühelos in den Gehörgängen niederlassen. Vor seinen beiden großen Weihnachtskonzerten, die er diesmal mit Support-Acts aus dem Magdeburger Nachwuchsbereich, rockt, trafen wir den Sänger zum Gespräch.


Du hast vor einem Jahr das neue Album angekündigt. Wie nervös bist du vor der Veröffentlichung? Wahnsinnig nervös, wie die Leute es aufnehmen und ich weil ich hoffe, dass mir keiner böse ist, dass es nur eine EP geworden ist. Ich bin mittlerweile ganz doll stolz, auch weil zwischendurch gedacht habe, ich muss aufgeben.

Warum hat es nur zur EP gereicht? Während der Produktion sind viele Sachen zwischen meinem Team, mir und dem ursprünglichen Produzenten schief gegangen. Die Michme-Band ist über 10 Jahre zusammengewachsen und besteht aus einem Haufen dickköpfiger, teilweise kreativer Eigenbrötler und anlässlich der Platte haben wir uns im Studio nochmal neu kennengelernt. Es gab viele Ideen und es tendierte nicht immer alles in die gleiche Richtung. Am Ende hat mein guter alter Freund Zwiebel aus den ganzen losen Enden eine wunderschöne Schleife hinbekommen.

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Und ein guter Produzent ist so wichtig, weil ... Musik live gut umzusetzen ist das eine, aber das Ganze für die Leute zum „Mitnach-Hause-nehmen“ umzusetzen ist wahnsinnig schwer. Du musst es auf Platte bannen, ohne dass es schwülstig oder übertrieben künstlerisch klingt.

Dein letztes Album liegt sieben Jahre zurück. Da will man sicher einen neuen, gereifteren Sound präsentieren. Ich wollte hören lassen, was mich musikalisch ausmacht. Man sollte hören, dass ich in den 80ern mit Depeche Mode und The Cure aufgewachsen bin, dass ich mir Gedanken um die Welt mache und der Sound gelassen ist.

Standen dir da auch deine eigenen Ansprüche im Weg? Nein, eher, dass ich daran gedacht habe, dass sich jeder gut fühlt bei der Produktion. Ich habe mich selbst verloren in dem Bestreben nicht als zickig und Despot ‘rüberzukommen. Ich hätte eindeutig mehr Chef sein müssen.

Wie schwer ist es beim aktuellen Deutsch-Pop-Boom zu texten und kreativ zu sein? Was mich wie die Hölle nervt ist, dass man vorher nicht weiß, ob die Zuhörer meine Bilder verstehen. Zeilen von anderen hast du nur dann im Kopf, wenn es sich irgendwie angleicht. Passiert ist mir das leider mit Wincent Weiss‘ „Musik sein“. Mein „Immer Musik“ ist schon vier Jahre alt, bezieht sich auf das Zitat von Frank Giering (Anm. der Red.: aus dem Film „Absolute Giganten“) und ich hab‘ den Spruch auch auf dem Arm tätowiert. Frank und ich wollten immer zusammen Musik machen, dann ist er viel zu früh von uns gegangen und ich habe gedacht, ich mache daraus einen Song, eine Ode an die Musik.

Die „Magdeburg“-Platte war ein Riesenerfolg. Gab es auch negatives Feedback dazu? Es gab Leute, die gesagt haben, versteif dich nicht immer so auf die Stadt, wenn du mehr erreichen und aus Magdeburg raus willst. Aber sie gehört zu mir und auch was ich darin erlebe. Ein Großteil dessen, was mir Glück bringt und bei mir funktioniert, hat damit zu tun, dass ich authentisch bin. Es wäre Blödsinn mit Macht eine auf international getrimmte Produktion zu machen. Rocco von Berge hat mal gesagt, Texte und Reime nicht soviel, du bist immer am stärksten, wenn du einfach deine Gedanken loslässt und spontan loserzählst. Beim Texten zum Song „Hurra“ hat das genauso funktioniert.

„Gemeinsam für den guten Scheiß ...“ singst du beim Song „Hurra“. Ist es eine Parole,  politisch inspiriert oder sogar eine Fußball-/Handball-Hymne? Von allem was. Darin geht es um den FCM/SCM und weltpolitische Ideen. Ich habe eine philosophische Herrenrunde aus dem Bereich Sport, Kultur, Medien, mit der ich mich wöchentlich über Themen wie Familie, Philosophie, Ernährung, Politik, Sport austausche. Die Jungs habe

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n mir schon so oft soviel gegeben und ihnen ist der Text gewidmet.

In deinen Songs ist Optimismus spürbar „Der Moment ist alles und die Zeit ist nichts/Feiert das Leben..“. Was steckt noch hinter „einfach glücklich“? Jeder definiert Glück für sich anders, aber ich bin der festen Überzeugung, egal, was dir passiert, du musst nur an dich glauben und dann kannst du dich aus jeder Scheiße herausholen. Ich finde auch der Song ist soundtechnisch ein neues Level, es fängt verträumt an und wird kämpferisch.

Wann hattest du zuletzt eine dunkle Stunde? Mir geht es super gut, aber ich habe jahrelang damit gekämpft, dass meine Eltern zu früh gestorben sind. Ich bin glücklich, dass ich sie hatte und ich weiß, dass ich einen großen Teil, der mich ausmacht, ihnen zu verdanken habe. Ich hatte auch einige harte Jahre beim Radio, weil ich dachte, dass viele mich nicht mögen, weil ich anders bin oder meine Ideen nur auf den eigenen Vorteil bedacht seien. Dann hat es, u.a. bei der Geburt meiner Tochter, Klick gemacht und ich dachte, ich muss nicht mehr jeden Kampf kämpfen und kann stolz auf das sein, was ich geschafft habe.

Was hat sich seit der Geburt deiner Tochter verändert? Welche neuen Eigenschaften hast du an dir entdeckt? Ich habe eine andere Form von Wärme erfahren und entdeckt, dass man sehr gut acht Stunden ohne Handy leben kann. (lacht) Es dreht sich alles um diesen Wurm und das eigene, beschissene Ego wird unwichtig.

Du bist ja auch Radiomoderator. Da müsste sich die Platte doch im Programm unterbringen lassen. Das ist eine politische Sache, da habe ich keinen Einfluss drauf. Ich kann es verstehen, weil wir mit öffentlich-rechtlichen Geldern arbeiten und wenn nur der geringste Verdacht entsteht, dass der MDR die Lieder spielt, weil ich der Kollege bin und von einem vergleichbaren Künstler nicht, wäre das nicht gerecht. Ins Konzept würde es dort nicht passen, höchstens bei MDR Sputnik/Jump. Bei Fritz damals war es normal, weil wir mit Scycs sowieso in den Charts waren.

Gibt es ein Format, was du gerne moderieren würdest? Ich bin total zufrieden beim MDR Sachsen-Anhalt, es kommt tolles Feedback von meinen Chefs, den Hörern und die Quoten stimmen. Außerdem laufe ich täglich über die Hubbrücke mit dem wundervollen Panorma von Magdeburg und bekomme eine kleine Seelenkur. (schwärmt) Eine Late-Night-Fernseh-Talkshow mit eigenen Gästen, eigener Musik und eigenen Themen wäre ein Traum, aber wer weiß, ob das jemand bezahlen und sehen wollen würde.   

Zur Veranstaltung: Michme und Freunde-Record-Release-Party, 17./18. Dezember

© Engelhardt

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