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Der Stadtläufer
Seit vielen Jahren (und vor allem seit dem Jahr 2021 und der Klage der Tierrechtsorganisation Peta) wehrt sich der Magdeburger Zoo so vehement wie vergeblich gegen den Vorwurf, seine Schimpansen nicht artgerecht zu halten und damit das sogenannte Over-Grooming, also die zur weitgehenden Nacktheit führende exzessive Fellpflege, verschuldet zu haben. Nun stellte sich heraus, dass dieses bedenkliche Verhalten der Affen nicht im Jahr 2019 mit der Schließung des zweiten Außengeheges begann, sondern dass die achtköpfige Gruppe dieses Verhalten zum Teil bereits in Münster gezeigt habe, bevor sie 2014 von dort in unser neues Affenhaus umzog. Ist Magdeburg nun also fein raus?
Dr. Ulrike Beckmann vom Jane-Goodall-Institut erklärte dieser Tage, dass derlei Verhaltensstörungen bei Schimpansen sehr wohl auf ihre Haltungsbedingungen zurückzuführen seien, da sie ein solches Verhalten in Freiheit schlechterdings niemals zeigten. Weitere Anomalien, die es nur bei in Zoos gehaltenen Schimpansen gäbe, seien sinnlose Bewegungen wie permanentes Hin- und Herschaukeln oder das Fressen von Kot. Entscheidend für eine möglichst artgerechte Haltung sei nicht nur die Gehegegröße, sondern auch Enrichment, also Anregung und Beschäftigung. Die kann natürlich nicht allein von den Tierpflegern geleistet werden, da müssen sich die Schimpansen zweifellos auch selbst einbringen. Doch das ist schwierig.
Die hiesige Gruppe war aus genetischen Gründen nicht für die Zucht vorgesehen, die fortpflanzungsfähigen Schimpansinnen hatten jahrelang Hormonpräparate zur Empfängnisverhütung erhalten und einige ihrer männlichen Partner wurden kastriert. Als die Zucht dann doch versucht und die Präparate abgesetzt wurden, zeigten die Tiere dennoch keinen Zyklus mehr und Nachwuchs blieb aus. Da unser Zoo aber durchaus züchten will, müssten neue Schimpansinnen her, was das Institut infolge der ohnehin schwierigen Situation in der Gruppe nicht empfehlen kann. Die Magdeburger Schimpansenzucht befindet sich also in einer echten Sackgasse.
Vielleicht könnte jemand wie der legendäre Schura aus Rostow am Don Abhilfe schaffen. Der war fünf Jahre lang die absolute Attraktion des dortigen Zoos: ein ehemaliger Zirkusaffe, der sowohl rauchte als auch Schnaps trank und auch sonst alle Merkmale eines Rockstars aufwies. Trotz absoluten Verbots warfen ihm die Besucher immer wieder Flachmänner und Zigaretten in den Käfig – und Schora langte dankbar und ausgiebig zu. Die Mädels in seiner Gruppe liebten ihn und er sorgte für einen echten Babyboom in seinem Gehege. Er wurde dann allerdings zu einer Entziehungskur geschickt und das rauschhafte Treiben war vorbei. Ob es unter den Zurückgebliebenen dann zu Over-Grooming kam, ist nicht bekannt. Aber es ist mindestens wahrscheinlich.