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Einmal Hans mit scharfer Soße
Frau Akyün, im Film unterhalten sich Freundinnen während einer Wachsbehandlung: „Warum rasieren sich Türkinnen nicht einfach?“ – „Weil es nicht wehtut!“. Bitte erzählen Sie mehr.
(lacht) Wir müssen wahrscheinlich den Schmerz spüren, das ist wirklich so. Ich kenne keine Türkin, die sich die Beine rasiert, es wird nur epiliert und gewachst. Und das ist immer mit Schmerzen verbunden.
Ihr Buch trägt autobiografische Züge. Wie authentisch ist der Film?
Sehr, er trifft den Punkt. Ich konnte gar nicht fassen, wie haargenau die Schauspieler Adnan Maral und Siir Eloglu meine Eltern widergespiegelt haben. Man musste ihnen nicht viel erklären, sie trugen dieses Gefühl in sich. Die Hauptdarstellerin Idil Üner, die mich spielt, hat im privaten Leben überhaupt nichts mit mir gemein. Sie entstammt einer gebildeten, politischen Familie aus Istanbul. Trotzdem kannte sie aus ihrem türkischen Umfeld auch Leute, die so aufgewachsen sind wie ich.
Bekommt der deutsche Zuschauer Einblick ins Leben seiner deutsch-türkischen Nachbarn?
Total! Der Film ist ja nicht nur für ein türkisches Publikum gedacht, ganz und gar nicht. Der Film ist für Menschen gemacht, die sich für andere Kulturen interessieren. Oder vergessen Sie Kulturen: er ist für Menschen, die sich für Menschen interessieren. In den Geschichten, die Buch und Film erzählen, erkennen sich auch Deutsche wieder. In vielen Situationen denkt man: „Das ist bei uns ja genauso!“ Klar sind wir anders, wir riechen anders, wir schmecken anders, wir essen anders und wir sehen anders aus. Aber im Grunde haben wir die gleichen Sehnsüchte, Wünsche und Hoffnungen. Als Autorin bin ich manchmal die Deutsche, die auf die Türken schaut, und manchmal die Türkin, die auf die Deutschen schaut. Und so ist es im Film auch. Die Hatice im Film zeigt uns beide Welten. Sie ist eine Frau um die dreißig auf der Suche nach der Liebe. Das wiederum ist universell.
Sie waren mit dem Buch auf Leserreise. Gab es auch negative Reaktionen?
Natürlich. Es gab Leute, die bestritten, dass ich Realität abbilde. Die Wahrheit sähe ganz anders aus. Man kam mit kriminellen Ausländern an, mit Zwangsheirat und Ehrenmord. Ja, in der Tat gibt es auch solche Fälle. Ich leugne sie gar nicht. Aber in meinem Leben haben sie nie eine Rolle gespielt, ich bin nicht auf der Flucht vor meinen türkischen Brüdern. Ich habe das Bild einer türkischstämmigen Frau in Deutschland vervollständigt. Wir sind nicht alle gleich. Aber das waren noch die eher harmlosen Sachen. Es gab auch krasse Dinge, Emails und Drohbriefe: „Geh‘ doch zurück in Dein anatolisches Dorf, wenn es Dir hier nicht gefällt!“, „Du bist doch nur eine Pass-Deutsche!“ oder „Du wirst niemals eine Deutsche sein!“ Wenn ich mir das alles zu Herzen nehmen würde, wäre ich ein trauriger Mensch.
In welchen Situationen ist das Gefühl, gleichzeitig zu Deutsch und zu Türkisch zu sein, am präsentesten?
Zu Deutsch fühle ich mich, wenn ich manchmal sehr penibel und überpünktlich bin. Oder wenn ich Sachen, die ich beginne, auch zu Ende bringe. Außerdem bin ich sehr direkt, das ist keine türkische Eigenschaft. Man redet über Probleme immer durch die Blume. Türkisch bin ich, wenn es um die Familie geht. Außerdem bin ich impulsiv, da werde ich unter deutschen Freunden auch mal zu laut. Und ich halte wenig von Diäten, stelle hohe Ansprüche an Lebensqualität und esse gern. Von meiner Mutter habe ich das typisch Weibliche mitbekommen: das angesprochene Wachsen, die akkurat gezupften Augenbrauen. Wir vier Mädchen durften immer feminin sein, egal, ob wir uns auf eine Karriere oder auf die Familie konzentriert haben.
Gehört die Türkei in die EU?
Ich war schon immer kritisch, was einen EU-Beitritt der Türkei angeht. In der momentanen Situation ist es indiskutabel. Ich habe die politischen Veränderungen in den letzten zwei Jahren hautnah miterlebt. Für mich als deutsche Demokratin ist die derzeitige politische Situation in der Türkei nicht hinnehmbar. Es ist wichtig, dass die EU unmissverständlich klar macht, dass es so nicht geht. Präsident Erdogan ist übrigens nicht mein Präsident. Mein Präsident ist Joachim Gauck. Sein Mut, die Probleme vor Ort darzulegen, hat mich beeindruckt.
Wie tickt Ministerpräsident Erdogan?
Ich glaube, dass sich sein Demokratieverständnis komplett von jenem unterscheidet, das wir Deutschen pflegen. Nach meinem Verständnis herrscht in der Türkei keine Rechtsstaatlichkeit, aber ich wünsche es den Menschen, dass sie genau so frei und demokratisch leben können, wie ich es aus Deutschland kenne.