Wer Bücher von Sebastian Fitzek liest, weiß, kein Thrillerautor wie er schafft es seine Leser so zu fesseln und Schweißperlen auf die Stirn zu treiben. Auch sein neuester Thriller "Passagier 23" präsentiert sich mit einer ungewöhnlichen Geschichte und rasender Spannung und enttäuscht allerdings auf den letzten Metern.
Vor fünf Jahren hat der Polizeipsychologe Martin Schwartz seine Frau und seinen Sohn auf einer Kreuzfahrt verloren. Er hat seit diesem Vorfall seinen Lebenswillen verloren und stürzt in jede noch so lebensbedrohliche Ermittlung. Schmerz ist ihm nicht mehr bekannt und seine Depressionen fressen ihn auf. Der Anruf einer älteren Dame holt ihn in die Realität zurück. Sie sei eine Thrillerautorin und er müsse unbedingt an Bord der "Sultan of the Seas" kommen, es gebe Beweise für den Tod seiner Familie.
Davon aufgeschreckt begibt er sich auf das Schiff, auf dem eine Frau mit ihrer Tochter verschwunden ist. Dann taucht das Mädchen mit dem Teddy seines Sohnes wieder auf.
Auf dem Meer gibt es keine Gesetze
Die Ereignisse überschlagen sich auf der Kreuzfahrt. Schwartz muss sich mit Vertuschungen, blinden Passagiere und Gesetzeslosigkeit auseinandersetzen. Eine Polizei gibt es auf dem Meer nicht. Es liegt allein in den Händen der Reedereien, wie sie mit Vorfällen umgehen. Nicht selten wird dabei ein verschwundener Passagier als Selbstmord deklariert, wie im Fall von Martins Familie. Zuerst soll seine Frau ihren Sohn ins Meer geworfen und dann sich selbst. Doch Martin konnte das nie so wirklich glauben. Im Fall des verschwundenen Mädchens scheint es noch kurioser.
Es gibt es keine beklemmendere Kulisse als ein Kreuzfahrtschiff. Deutschlands Liebling wird zum Ort es Horrors. Der Gedanke daran, mit vielen, fremden Menschen auf engstem Raum eingesperrt zu sein ist bedrohlich – erst recht ohne Polizei.
Charaktere wie aus einem Trashfilm
Bei diesem Anfang hat man es mehr als nur mit einem mysteriösen Moment zu tun, der sich aber bald nur noch in Effekthaschereien verliert. Hinweise kommen aus dem Nichts und erinnern an billig produzierte Thriller, die durch ihre Übertreibung eher unterhaltend als schrecklich wirken. Jegliche logische Erklärungen fehlen und die Zusammenhänge werden übertrieben dargestellt, die das Lesen schwer machen. Die schnellen Perspektivwechsel zwischen Martin und anderen Charakteren auf dem Schiff sollen Spannung auslösen und verursachen nur massives Kopfschütteln. Egal, ob es die Handlungsweise der Figuren betrifft oder ihr fast schon stereotypes Auftreten. Sie sind überzeichnet, können nicht genug Klischees bedienen und rauben den Roman die Glaubwürdigkeit, die er dringend benötigt. Da kann auch die Entwicklung der einzelnen Personen nichts daran ändern, die zudem wohl kaum in diesem Maße möglich erscheint.
Effekthascherei versus Konzeption
Hinter dem ganzen Konzept steckt bald nur noch heiße Luft, die sich in einem haarsträubenden Ende wiederfindet. Da kann auch Fitzeks spannender Schreibstil nichts mehr retten und die ganze Story trifft auf den Eisberg. Die ganzen Lücken werden gestopft mit Material, welches nicht nur unglaubwürdig und verzerrt erscheint, dass man einfach nur schockiert zusehen muss, wie die Atmosphäre des Romans baden geht. War vorher noch eine bedrohliche Spannung zu spüren will Fitzek gleich drei Romane in einem unterbringen und versucht mit immer mehr schockierenden Momenten die Spannung aufrechtzuerhalten. Es wirkt unglaublich bemüht, als hätte Fitzek mit aller Macht versucht sein Wunschende durchzuprügeln, was ihm zwar gelingt, aber unter katastrophalen Folgen für seine Charaktere und den Rest der Handlung.
Da helfen auch keine Showdowns, Pointen und Überraschungen, die einzeln betrachtet, genial wirken, aber zusammen unglaublich überladen sind. Von der Psychologie eines Psychothrillers ist kaum noch etwas zu spüren.
Fazit
Ein interessantes Setting mit spannendem Anfang zerbricht an seinen überzogenen Charakteren und unnötiger Effekthascherei. Zu viel gewollt und unnötig überstrapaziert, geht "Passagier 23" baden und enttäuscht auf ganzer Linie. Wer Fitzek kennt, wird enttäuscht, wer ihn neu entdecken will, sollte zu einem seiner anderen Romane greifen.