Mehr als 70.000 Menschen wurden zwischen 1933 und 1945 als „Asoziale“ verfolgt, entrechtet und meist direkt nach dem Verbüßen einer Haft erneut festgenommen und in Konzentrationslager überführt, wo ihnen der Tod drohte. Bei den Vergehen handelte es sich meist um Bagatellen, doch Wohnungslose, Prostituierte oder auch jugendliche Anhänger der Swing-Musik fügten sich aus Sicht der Herrschenden nicht in das Bild einer homogenen „Volksgemeinschaft“. Erst im Februar 2020 gewährte der Deutsche Bundestag den Betroffenen, die im Konzentrationslager mit einem grünen oder schwarzen Winkel auf der Kleidung stigmatisiert waren, späte Anerkennung.
Einen großen Anteil daran hat Frank Nonnenmacher, der eingangs der Veranstaltung aus seinem Buch „Du hattest es besser als ich - Zwei Brüder im 20. Jahrhundert" liest. Darin erzählt der Sozialwissenschaftler die Geschichte seines Onkels Ernst Nonnenmacher, der in den 1930er Jahren aus wirtschaftlicher Not und Hunger Diebstähle begangen hatte, bevor er als „Asozialer“ im Konzentrationslager Flossenbürg und später im Konzentrationslager Sachsenhausen interniert wurde. Nach dem Krieg scheiterte er mit einem Antrag auf materielle Entschädigung. Politik und historische Forschung haben diese Opfergruppen jahrzehntelang ignoriert, ist Frank Nonnenmacher überzeugt, während die Überlebenden selbst die Ausgrenzungen nicht selten verinnerlichten und aus Scham schwiegen.
Das anschließende Podiumsgespräch mit Ute Hoffmann, die seit vielen Jahren die „Euthanasie“-Gedenkstätte Bernburg leitet, thematisiert vergleichend den Umgang mit den vergessenen Opfern und deren Anerkennung in den beiden deutschen Nachkriegsgesellschaften. Ausblickend sollen aktuelle Herausforderungen für die Arbeit in Gedenkstätten skizziert werden.