© Kerstin Schomburg
„Quiekt sie oder singt sie?“: Schauspielerin Marie-Joelle Blazejewski trifft bei der Rolle des Schweins den Ton
Wie lange bleibt ihm noch, dem Schwein mit seiner herausragenden Begabung und der musikalischen Ausnahmegenehmigung der Schlachthofleitung? Wie wird es sein, wenn es passiert? Wohin es geht, das weiß das talentierte Schwein genau, hat es oft genug gesehen und für seine Artgenossen auf dem Weg in den Tod gesungen. Schließlich ist es Zeit für das letzte Konzert, den großen Abschied einer Künstlerseele.
Gespielt wird das Schwein namens Miroslava von Marie-Joelle Blazejewski, die seit letzter Spielzeit zum Magdeburger Ensemble gehört. Und so wie das Schwein im Schlachhof um sein Leben spielt, ist auch das Stück mit Musik unterlegt. Der soulige Sound kommt von Thomas Leboeg, der dabei an Harmonium und Flügel sitzt. Zugleich übernimmt er im Stück die Rolle des Metzgers. Über allem aber schwebt Blazejewskis markante Stimme, die halb quiekend, halb singend, gekonnt die Balance hält, denn das Schwein hat durchaus etwas Menschliches. „Wir hatten das Bild einer alternden Diva im Kopf“, beschreibt es Lomsché. Der Text ist dabei als Monolog geschrieben. Mit scharf geschliffener sprachlicher Klinge und viel schwarzem Humor erweckt Sikoras existentielles und doch heiteres Stück eine Assoziationskette vom Schlachthof über die Unterhaltungsindustrie bis zur massenhaften Vernichtung von Leben und den manchmal bitteren Mechanismen des menschlichen Zusammenlebens.
Nicht zum ersten Mal reagiert Sikora in seinen Stücken mit sehr eigensinnigem Humor auf die aktuelle soziale und politische Situation. Es ist keine Mainstream-Dramatik, seine groteske Sichtweise auf die Gesellschaft birgt gesellschaftlich kritisches Potenzial. Längst sind seine Stücke wie „Antigone“ oder „Sodom und Gomorra!“ in andere Sprachen übersetzt und vielfach international inszeniert. Im deutschsprachigen Raum hielt sich das bisher noch in Grenzen. Dramaturg Bastian Lomsché, seit letzter Spielzeit Teil der dreiköpfigen Schauspieldirektion, bringt es auf den Punkt: „Wir halten die Augen offen und sind so auf Roman Sikora gestoßen. Der ist für uns eine echte Entdeckung!“
Dass das Schwein schlussendlich doch geschlachtet wird, hat banale technische Gründe: Die Welt wird größer, der alte Schlachthof muss weg, um Platz zu machen für einen logistisch durchgetakteten Großschlachthof. Und der hat in seiner Technisierung keine Überlebensnische mehr für ein singendes Schwein.
© Engelhardt
Schauspielhaus/Theater Magdeburg
Otto-von-Guericke-Straße 64, 39104 Magdeburg
Theaterkasse: eine Stunde vor Vorstellungsbeginn